Für diese, wie bei vielen meiner langen Touren, habe ich mir einen Grund gesucht, warum ich das jetzt eigentlich mache – Die Zeit könnte man ja (immmer eigentlich), besser nutzen. Der Grund war sehr einfach gefunden: Den Fahrradanhänger, der fertiggebaut ist, aber noch nicht bei einem steht, zieht man natürlich mit dem Fahrrad nach Hause! Wie denn sonst?!?
380km sind ja eigentlich wie 300km (und die bin ich schon öfters gefahren +/- ein paar Kilometer), mit Hänger ist jetzt auch nicht so viel schwerer als ohne und das Wochenende sollte milder in den Temperaturen werden, als die vorherigen Tage mit deutlich mehr als 30 Grad.
Am Ende kam es dann anders – was aber nicht heißt, dass die Tour an sich nicht ein cooles Abenteuer war – Einige Lektionen gelernt und natürlich besser vorbereitet auf die nächsten Touren. Das Scheitern kann man nicht schönreden – aber sich an dem Teil erfreuen, der geklappt hat :)
Start der Tour war am Lokalbahnhof vom Frankfurter Flughafen mit der S8 nach Mainz Hbf um 5 Uhr. Wie nicht anders zu erwarten kam die S-Bahn zehn Minuten zu spät und die Angst, den Anschluss zu verpassen schlich sich ein.
Unbegründet, wie sich herausstellte – die RB26 um 5:47 Uhr fiel einfach aus.
[Da es hier ums Radfahren gehen soll, kein Rant über die wundervolle Servicequalität des Bahnverkehrs in Deutschland. So wird das allerdings nichts mit der Verkehrswende.] “Upgraden” auf den IC um 6:17 Uhr durfte ich nicht, mit dem Fahrrad wäre das eh nichts geworden, da man ja hätte reserverieren müssen. Also bis um 7:01 Uhr gewartet und gleich begrüßt worden mit der Durchsage, dass es einen Steckenschaden gibt und wohl ein bischen Verspätung aufbauen wird. Gut, 26min Umsteigezeit in Köln sind eh ewig lang, da kann der Zug auch gerne 20min zu spät kommen. In St. Goar hatte die RB dann 40min Verspätung. In Köln umgestiegen und dann das erlebt, was man “Das Leben in vollen Zügen genießen.” nennt. Im 6er-Fahrradabteil zwängten sich am Ende 12 Fahrräder und E-Bikes rein und die Klimaanlage funktionierte erste ab Hamm, drei oder vier Stationen vorm Ziel, als bereits alle ausgestiegen waren.
Eine Stunde später als geplant angekommen, erstmal mit @Prenger getroffen und dann das erlebt, weswegen man Münster als Fahrradstadt zurecht loben kann. Exzellente Qualität des Belags, riesige Fahrradaufstellflächen und eine angenehme Breite. Natürlich ist auch dieses Paradies nicht ohne Schattenseiten. Diese werden vom “Kleckser” im ewigen Kampf gegen das Tiefbauant mit Asphaltklecksen und manchmal auch mit auffälligen, gelben Symbolen ins Rampenlicht geholt.
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Dann wurde sich bei alkoholfreiem Bier erstmal von den Strapazen der Anreise erholt und der Anhänger ans Rad angepasst. Dafür, dass der Karren gut 2,50m lang ist, ist er extrem wendig. Der Drehschemel ermöglicht es, aufgesessen auf einer regulären Straße mit 4m Breite zu wenden. Respekt an den Konstrukteur. Auch das geringe Gewicht von unter 25kg macht sich bemerkbar. Unbeladen kann man gut beschleunigen. Die vier Reifen waren auf gut 3 Bar aufgepumpt, um zu verhindern, dass der Anhänger zusehr springt, wenn er über Bodenunebenheiten gezogen wird.
Nachdem das soweit durch war, begleitete mit @Prenger noch auf den ersten Kilometern aus der Stadt hinaus.
Unterwegs sahen wir noch dieses lustige Werbefahrrad.
Ab Münster-Handorf musste ich dann solo weiterfahren. Angesichts des hervorragenden Wetters war das nicht allzuschlimm. Die ersten Kilometer waren sehr angenehm zu fahren und der gute Belag täuschte darüber hinweg, dass der Hänger doch mehr Widerstand bot, als ich in meiner Freude zuerst ignoriert hatte. Auf der Kurzstrecke und vor allem innerstädtisch würde das sicher untergehen im ständigen Lastwechsel, auf der Langstrecke wirkt sich aber auch ein kleiner Widerstand enorm aus. Der Hänger erlaubt keinen Fahrschnitt von 30km/h, auch keinen von 25, sondern eher 20 und darunter. Das wurde mir klar. Und auch, dass es auf den nächsten 370 Kilometern sehr, sehr hart werden würde.
Es folgten Telgte, Everswinkel und Freckenhorst in gutem Tempo. Auf dem Abschnitt zum nächsten Ort war ‘einfach so’ ein Drängelgitter aufm Radweg. Mit geschicktem Mänövrieren bekam ich den Hänger durch. Es sah zu drollig aus, auf das Photo habe ich leider verzichtet, da ich den entgegenkommenden Rennradler nicht blockieren wollte. Bestimmt treffe ich mit dem Hänger mindestens auf ein weiteres.
In Westkirchen füllte mir eine sehr liebe Familie eine Trinkflasche auf und lud mich direkt zum Grillen ein – “Die Würste sind in einer Minute fertig.” Leider musste ich ablehnen – noch keine 20km geschafft und schon die erste große Pause? - und machte mich wieder auf den Weg.
Frisch aufgetankt gings über Ostenfelde nach Oelde, wo die erste Panne auftrat – eine Mutter löste sich und die Schraube, die als Achse der beweglich angebrachten Zugplatte fungierte, fiel heraus. Die Zugplatte war nur noch an der Drehmomentabstützung befestigt und nicht mehr an der Zugdeichsel. Bei jedem Auflaufen des Hängers klackerte es unangenehm und in den Kurven verhielt sich der Anhänger merkwürdig. Zur Lösung des Problems habe ich dreimal die Nylonschnur durchgefädelt und verknotet – hält super. Aber leider ist auch mindestens eine Viertelstunde dabei verlorengegangen.
Von Oelde gings nach Rheda-Wiedenbrück, wo ein sehr schönes historisches Gebäude stand.
Aus Rheda-Wiedenbrück heraus folgte ich zuerst dem Radweg und dann ab dem Abzweig Druffel der B64, da der Seitenstreifen sehr breit und komfortabel war. Weit kam ich nicht. Bei Rietberg geriet mir die Kette zwischen das kleine und mittlere Kettenblatt. Das kleine Kettenblatt lockern war nicht genug, also mussten das mittlere und das große Kettenblatt von der Kurbel runter. Eine nette Radfahrerin aus der Gegend bot sofort ihre Hilfe an und brachte dann Wasser und Shampoo, um welche ich gebeten hatte, denn nach der Arbeit am Antrieb waren meine Hände komplett verfettet. Profitipp: Sand vom Straßenrand und Duschgel ergeben eine sehr gute Handwaschpaste.
Mit befreiter Kette ging es dann weiter die B64 entlang. Kurzer Wassertankstopp und dann kam der Sonnenuntergang.
Bei Sande dann wandte ich mich nach Süden. Bis nach Nordborchen ging es. Dort füllte ich meine Wasservorräte am Friedhof auf. Leider war die L755 gesperrt und so musste ich etliche Höhenmeter bis nach Kirchborchen machen, um dann auf den Radweg die Altenau entlang zu nehmen. Dieser führt über die Altenau vor Gellinghausen mit einer Fußgänger-/Radwegbrücke, die genausobreit, wie der Anhänger ist, aber im Verlauf zweimal abknickt. Hier musste ich das Rad abhängen, vorschieben und den Hänger durch die Knicke durchheben, da er nicht gezogen werden konnte, ohne sich zu verkanten.
Bis nach Etteln hätte ich, vor allem um die Uhrzeit, auch einfach die K20 nehmen können, die parallel verläuft. Generell ist es empfehlenswert, nachts die Landstraßen zu nutzen. Diese sind in der Regel in besserem Zustand als parallel laufende Rad- und Wanderwege, halten keine unangehmen Überraschungen bereit und verlaufen sehr gerade und absehbar. Rad- und Wanderwege werden eher Grundstücksgrenzen und natürlichen Gegebenheiten angepasst und wenn es dann dunkel ist, man alleine fährt und dann extrem vorsichtig fahren , öfters abbremsen und beschleunigen muss, dann zehrt das ganz schön an der Verfassung.
Von Dalheim nach Meerhof brauchte ich dann über eine halbe Stunde bei 100 Höhenmetern. Das war der Zeitpunkt, an dem ich beschloss, abzubrechen. Ich habe für 125km gut 10 Stunden gebraucht – Für die restlichen 260km wären es dann mindestens 20 Stunden geworden – mit abnehmender Kraft wahrscheinlich mehr. Der Plan, am Sonntagnachmittag anzukommen ist damit hinfällig geworden. Bis um vier Uhr wartete ich an einem Zaun sitzend, bis ich meine Rettung anrief. Meine Freunde @Kiara und @Captain hatten sich im Vorfeld bereiterklärt, mich da rauszuholen, sollte die Aktion fehlschlagen. @Kiara kam dann um 8Uhr. Wir luden Fahrrad und Anhänger auf den Dachgepäckträger und fuhren langsam in Richtung Südhessen.
Einerseits bin ich gescheitert – ich habe die Tour nicht durchgezogen. Andererseits war dieser Fehlschlag eine gute Möglichkeit, Gelerntes anzuwenden und Neues hinzuzulernen.